Allgemein,  persönliche Entwicklung

Warum es dir nicht (immer) egal sein sollte, was andere von dir denken!

Es ist mittlerweile ein weit verbreiteter Tipp in der Persönlichkeitsentwicklung, dass es dir egal sein soll, was andere von dir denken. Denn damit würden wir uns von der Meinung der anderen befreien und uns selbst leben. Warum das im falschen Kontext absoluter Bullshit ist und dein Wachstum sogar sabotiert und warum es dir eben nicht immer egal sein sollte, was andere von dir denken, darum geht es hier.

Ein gut gemeinter Rat…

Ich habe aktuell das Gefühl, jeder Coach in der Persönlichkeitsentwicklung, der gerade etwas auf sich hält, verbreitet mit ausgestrecktem Mittelfinger die Message, dass es dir egal sein sollte, was andere über dich denken. Sei du selbst, mache dich nicht abhängig von der Meinung anderer, lebe so wie DU leben willst.

Prinzipiell ein gut gemeinter Rat.

Wenn du alle deine Handlungen nur danach ausrichtest, was andere davon denken könnten, eckst du im Idealfall natürlich nicht an. Dann führst du zwar ein harmonisches Leben, was aber absolut fremdbestimmt ist. Wenn du jedes mal, wenn du etwas sagst oder tust die Konsequenzen abwägst, bist du mehr mit abwägen und denken beschäftigt, als mit leben.

Menschenmenge Lego
Wenn du deine Meinung nach anderen richtest bist du nur ein Muggel unter vielen

Wenn es dir im Gegensatz dazu “scheiß egal” ist, was andere über dich denken, hast du ein deutliches Stück Freiheit gewonnen. Du kannst ganz ehrlich und unverblümt ausdrücken, was du eben gerade ausdrücken willst. Du tust, was du für richtig hälst. Was natürlich einen wichtigen Schritt in deiner Entwicklung zu dir selbst darstellt. Es nimmt dir einiges an Stress und Ablenkungen, welchen du dir durch die ständige Gehirnwichserei, was andere jetzt denken können, auferlegst.

Deinen Fokus von der Meinung der anderen auf deine eigene Meinung über dich zu richten ist also definitiv ein wichtiger Schritt in der Persönlichkeitsentwicklung. Doch warum halte ich es dann trotzdem für so gefährlich, dies aus Prinzip zu tun und ein zweischneidiges Schwert? Welche Fallen stellen sich auf dem Weg und warum ist der Kontext, in dem du dies tust, so wichtig?

…der nach hinten losgehen kann!

Wie gesagt, die Entwicklung zu dir selbst wird nicht immer von jedem verstanden und akzeptiert. Natürlich ist es dann sinnvoll, nicht auf jede noch so kleine Meinung von anderen einzugehen. Es zeugt von Stärke und Rückgrat zu sich zu stehen, selbst wenn dies niemand sonst tut. Wozu uns Mitläufertum in der nahen Vergangenheit gebracht hat, ist gerade in Deutschland noch sehr präsent (wobei ich denke, dass sich zwar die Ideologie geändert hat, nicht aber das Mitläufertum).

Um also zu dir selbst zu stehen, musst du dich eben auch selbst kennen. Deine Werte und Vorstellungen. Du brauchst eine Orientierung im Leben. Hast du diese noch nicht voll entwickelt, ist die Einstellung “scheiß egal was andere von mir denken” nicht mehr als eine Kompensation von etwas, das fundamental fehlt. Du kannst aber dieses Fehlen von einer grundlegenden Ausrichtung deines Lebens nicht dadurch ändern, dass es dir ab jetzt zwanghaft egal ist, was andere davon halten. 

Sicherlich ist es ein Zeichen von Selbstfürsorge, wenn du deine eigene Meinung nicht unter die der anderen stellst. Das will ich in keinster Weise anzweifeln. Dennoch gibt es es paar Fallen bei der Sache. Und das möchte ich klar machen.

Es kann dir also im positiven wie auch im negativen Sinn egal sein, was andere von dir denken.

Zum Beispiel ist es einem Raser auch egal, was andere von ihm denken, so lange er schnell genug durch die Gegend fahren kann. Oder einem Ladendieb, so lange er das, was er will, umsonst bekommt. Genau wie es dem Vergewaltiger egal ist, was sein Opfer empfindet oder dem skrupellosen Banker, Steuerhinterzieher oder Pharmavertreter. Das klingt zwar nach extremen Beispielen, aber ich will damit zeigen, dass es grundsätzliche Probleme dabei zu beachten gibt.

Die zwei Probleme

Was vielleicht nach Haarspalterei klingt ist hier in Wahrheit ein strukturelles Problem. Nicht die Tatsache an sich, dass du nicht jede Reaktion persönlich nimmst, ist ein Problem. Sondern der Kontext, in dem das passiert. Da mir lange Zeit ähnliche Fehler unterlaufen sind, habe ich zwei Hauptprobleme entdeckt, die ich dir gerne erläutern will.

1. Aus Trotz handeln

Die wohl größte Gefahr dabei ist es, in sein kindliches Selbst zu verfallen, und aus Trotz zu handeln.

Nehmen wir an, du möchtest dich z.B. beruflich verändern, aber die Leute in deinem Umfeld warnen dich davor. Reflexartig kommt dir in den Sinn, dass starke Menschen nicht darauf hören, was andere (sogenannte Zweifler) zu sagen haben. Du willst die Einwände nicht hören, also wirfst du ihnen z.B. vor, sie verstehen dich nicht. Da es dir ja jetzt egal ist, was andere denken, machst du trotzdem, was du willst. Nach dem Motto: “was dir gefällt das nicht? Mir doch egal!”.

Und an dieser Stelle ist es völlig irrelevant, ob du womöglich im Recht bist oder die anderen (die Wahrheit liegt oftmals dazwischen). Dies ist hoffentlich unschwer zu erkennen keine Entwicklung nach vorne, zu einem selbstbewussten, starken Selbst. Sondern vielmehr ein Rückschritt auf der Reise zu dir.

Warum?

Was vielen hier nicht klar ist, ist die Tatsache, dass du genau mit dieser Einstellung eben die Meinung der anderen über deine eigene stellst. Du gibst unbewusst den anderen mehr recht als dir selbst, und meinst dann mit Trotz darauf reagieren zu müssen. Du fühlst dich also in der Position, es den anderen beweisen zu müssen, ob du das merkst oder nicht. Du reagierst, gibst deine Macht ab, weil du denkst, die anderen müssen dich verstehen und deiner Meinung sein. Und wenn nicht, sind die zu doof deine Vision zu erkennen.

Mädchen Teenager Trotz
Ich weiß zwar nicht wo ich hin will – aber die anderen sollen sich trotzdem nicht einmischen

Damit begibst du dich automatisch in die Opferrolle. Das ist keine echte Stärke, die daraus erwächst, dass du deinen Weg kennst. Du handelst aus fundamentaler Unsicherheit.

Wenn es dir wirklich egal wäre, würdest du dir die Einwände anhören und könntest dann entscheiden, ob du sie für vernünftig hälst. Oder ob sie in deinen Augen nicht relevant sind.

Vielleicht haben dich die anderen missverstanden, oder du hast dich falsch ausgedrückt. Wenn du aber auf Teufel komm raus deinen Kopf durchsetzen musst, und das mit der Einstellung, “egal was andere sagen, ich mach es trotzdem” angehst, unterscheidest du dich nicht von dem Kind, dass sich auf den Boden wirft und schreit, weil es die Süßigkeiten nicht bekommt.

Nicht Trotz soll deine Motivation sein, sondern emphatische Selbstbestimmung. Und dazu brauchst du ein gesundes Umfeld an manchmal auch kritischen Leuten. Um dich in der Bahn zu halten, um auf deinem Kurs zu bleiben.

Echte Entwicklung geht nur mit gesunder Kritikfähigkeit.

2. Keine Entwicklung mehr

Die zweite große Gefahr, wenn du jetzt immer reflexartig sagst: “mir doch egal, was andere denken”, ist die Stagnation.

Wenn du keine Ratschläge mehr annimmst, akzeptierst du keine Rückmeldung für dein Verhalten. Damit meine ich nicht, dass du bevor du zum Friseur gehst erst deinen Nachbarn fragst, was seiner Meinung nach die beste Frisur für dich wäre. Klar ist es mir egal, ob meine Arbeitskollegen meine Birkenstock angemessen finden oder lächerlich. Darum geht es nicht.

Deine Außenwelt spiegelt dir aber immer direkt deinen jetzigen Entwicklungsstand wider. Wenn du dann als einziges Mittel auf Kritik mit trotziger “scheiß egal Haltung” reagieren kannst, lehnst du dich quasi selbst ab. Trotz entwächst immer einer tiefen Unsicherheit. Du kannst Kritik nicht akzeptieren, weil du dich selbst nicht akzeptieren kannst. Dabei ist die Akzeptanz deiner aktuellen Situation überhaupt der erste Schritt zur Veränderung. Ohne sie verharrst du in der Rebellion, anstatt dein Leben aktiv zu gestalten. Du ruderst in einem gestrandeten Boot!

gestrandetes Boot
mit Rebellion kommst du nicht weiter

Die Entwicklung fester, eigener Werte erfolgt mit der Zeit. Durch aufnehmen und verwerfen von Ideen, Vorstellungen und dem Nacheifern von Vorbildern. Auf diesem Weg ist es in meinen Augen essenziell, einen vertrauten Kreis an Menschen zu haben, die dir auch mal Ratschläge erteilen. Oder mitteilen, wenn du deinen Weg verlässt. Dazu ist es natürlich wichtig, dass du die Meinung deines engen Kreises auch wahr und ernst nimmst. 

Die Meinungen über dich kommen und gehen – du tust sicherlich gut daran, nicht alles zu ernst zu nehmen. Gerade was ungefragte oder herabsetzende Kritik angeht. Wahre Freundschaften bleiben dagegen im Idealfall über Jahre bestehen, wenn ihr euch gegenseitig auf eurer Reise unterstützt; das heißt, wenn ihr euch auch mal über ein Thema in die Haare bekommen und völlig anderer Meinung sein könnt.

Wahre Entwicklung entsteht immer aus dem Abnutzungskampf zwischen neuen und alten Ideen. Daraus entwickeln sich deine Werte, deine Vorstellungen, wie das Leben für dich zu sein hat. Aus Geltungsbedürfnis oder Kompensation alles abzulehnen ist kein Weg, dies zu erreichen.

Kennst du dich schon gut genug?

Das Ziel der Persönlichkeitsentwicklung ist es, dich selbst kennen zu lernen. Die Tatsache, dass du nicht alles persönlich nimmst und in einem gewissen Rahmen einen scheiß darauf gibst, ist dabei das Symptom wahren Selbstwertgefühls. Es ist aber nicht seine Ursache!

Dass du deinen eigenen Vorstellungen folgst und nicht ein Fähnchen im Wind bist ist Ausdruck davon, dass du dich selbst gut kennst. Das heißt, dass du dein Leben proaktiv und selbstbestimmt nach deinen Wünschen und Bedürfnissen aufbaust.

Oder umgekehrt: wenn dir die Meinung anderer über dich noch wichtiger ist, als deine eigene, dann heißt das, dass du dich selbst noch nicht genug kennst! Dass du zunächst diese Arbeit machen musst. Wenn du noch nicht laufen kannst hilft es wenig, einen Tanzkurs zu belegen!

Mann mit Maske
Selbsterkenntnis ist der erste Schritt

Kennst du dich also selbst gut genug, wirst du automatisch die Informationen heraus filtern, die nicht deinen Vorstellungen entsprechen. Und trotzdem kannst du dich kritikfähig zeigen und Ratschläge annehmen. Niemand ist so perfekt, dass er keine Hinweise von außen mehr annehmen muss.

Entwickle also erst den richtigen Frame, deinen eigenen Rahmen für dein Leben, bevor du reflexartig alles ablehnst, was andere über dich denken.

Rebellion ist ein pubertäres Phänomen; ein erwachsener, eigenständiger Mensch braucht dies nicht. Er geht einfach seinen Weg. Die, die ihm dabei folgen wollen sind herzlich eingeladen. Und die, die etwas dagegen haben, dürfen sich gerne um sich selbst kümmern.

Als Kinder ist für uns das Wort der Erwachsenen Gesetz, als Jugendliche fangen wir dann an, dies ins Frage zu stellen. Wir tun gut daran, denn daraus entwickeln wir unseren eigenen Lebensweg. Bleibe aber nicht auf dieser Stufe gefangen! Auch als rebellische Pubertierende brauchen wir die Führung durch einen Mentor, der uns sagt, wenn wir scheiße bauen. Als Erwachsene haben wir dann daraus die Stärke gewonnen, uns selbst zu vertrauen. Wir brauchen also gar nicht mehr zwanghaft die Zustimmung der anderen – ganz automatisch!

Fazit

Sich nicht den ganzen Tag den Kopf darüber zu zerbrechen, was andere von dir denken, ist ein Fundament echten Selbstwertgefühls. Du solltest dabei aber nicht Ursache und Wirkung verwechseln. Zunächst einmal solltest du dir über deine eigenen Werte und Vorstellungen bewusst sein. Dann kannst du selbst entscheiden, ob dir eine Kritik dienlich ist – oder eben nicht.

Die Meinung anderer prinzipiell nicht zu beachten und eine “scheiß egal Einstellung” zu entwickeln, birgt dabei zwei grundsätzliche Gefahren:

  1. du begibst dich in die Opferrolle, handelst aus Trotz und willst es den anderen beweisen. Unbewusst gibts du deine Macht an sie ab und denkst reflexartig, jede Kritik ist unangemessen. Das bedeutet, du machst dich dadurch abhängig von äußerer Anerkennung!
  2. du stagnierst in deiner Entwicklung, weil du in der Rebellion gegen andere fest hängst, anstatt dein Leben proaktiv nach deinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen auszurichten. Du kämpfst GEGEN etwas, anstatt FÜR etwas!

Wenn du dagegen ehrlich deine eigenen Bedürfnisse erforscht, dich selbst kennen lernst und auf dem Weg noch einen Kreis an echten Freunden hast, die dir offen sagen, wenn du von deinem Kurs abkommst, wirst du mit der Zeit die innere Stärke entwickeln, die es automatisch unnötig macht, auf jede äußere Ablehnung oder auch Zustimmung reagieren zu müssen.

Du bist dir deiner Selbst bewusst und handelst nach deinen Maximen. Dadurch verlässt du die Ebene der Rebellion, wächst darüber hinaus und kannst dein Leben selbst gestalten! Genau das, was echte Persönlichkeitsentwicklung bedeutet!

Auf diesem Weg wünsche ich dir viel Spaß und konstruktive Kritiker 😉

Dein Coach-Kern

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